Familie Vercellone baut Reis seit mehreren Generationen auf dem Landgut Tenuta Castello in der Ebene von Desana an. Nicht irgendeinen Reis, sondern einen, der die Herzen der Feinschmecker höher schlagen lässt. Denn die Vercellones haben es sich zur Aufgabe gemacht, vor allem die alten und weniger ertragreichen, aber geschmacklich unübertroffenen Reissorten zu hegen und zu pflegen. Wie den Carnaroli, der als die feinste und edelste Reissorte für Risotto-Gerichte gilt. Viele Reisbauern mögen den Carnaroli nicht, weil er langsam und unregelmäßig reift und keinen Kunstdünger verträgt.
Um zu erklären, was den Carnaroli-Reis von der Tenuta Castello so besonders macht, habe ich jahrzehntelang die Geschichte von den „Unkrautjäterinnen“ erzählt. Doch das gehört inzwischen der Vergangenheit an, wie mir Marisa Vercellone erklärt. Der wissenschaftliche Fortschritt hat den Bioanbau von Reis komplett umgekrempelt, und ich habe gestaunt, mit welch ausgeklügelten Methoden die empfindliche Reissorte Carnaroli biologisch angebaut wird.
Es beginnt im Herbst mit dem Säen von Zwischenfrüchten wie Senfsaat. So wird verhindert, dass sich unerwünschte Pflanzen ausbreiten, und zugleich die Erde mit Nährstoffen versorgt. Bevor die Reis-Saat ausgebracht wird, flutet man das Reisfeld ein bis zwei Zentimeter hoch mit Wasser. Das ist gerade genug, um „Unkräuter“ zum Keimen zu bringen. Danach lässt man das Feld etwa fünfundzwanzig bis dreißig Tage austrocknen und pflügt die vertrockneten Kräuter unter. Auf diese Weise gewinnt man wertvollen Dünger. Erst dann folgt die Aussaat der Reiskörner. Wenn die Reispflanzen nach dreißig bis vierzig Tagen ihr zweites bis drittes Blatt entwickelt haben, wird die Erde mit einem Pflug leicht gelockert, dann erst das Feld unter Wasser gesetzt. Da der Reis zunächst „trocken“ gepflanzt und erst spät geflutet wird, spart man außerdem sehr viel Wasser.
Die Tenuta Castello unterscheidet sich jedoch nicht nur in ihrem Biobau von anderen Risotto-Reis-Bauern im Piemont, sondern auch darin, wie sie ihre Reiskörner nach der Ernte behandelt. In ihrer Mühle werden die Körner schonend zwischen Mahlsteinen geschält, das geht nur in kleinen Mengen und langsam, was den Vorteil hat, dass während des Mahlens keine hohen Temperaturen entstehen. Das schont die Aromen im Korn und führt dazu, dass die Reiskörner viel stärker aufgehen als bei industriell verarbeitetem Reis. Der Lohn für diese zeitraubende Prozedur ist ein duftiger Reis mit einem feinen, nussigen Aroma, der beim Kochen seinen Biss behält und schön sämig wird. Statt 100 Gramm benötigt man für eine durchschnittliche Risottoportion mit dem Bio-Carnaroli der Tenuta Castello nur etwa 60 Gramm!
Reis ist auf der ganzen Welt bekannt – hauptsächlich als „täglich Brot“, das den Hunger bekämpft. Dass Reis auch in der Welt des Genusses bekannt ist, hat er den Italienern und ihrem Reisgericht Risotto zu verdanken. Risotto hat nichts mit normalem Reis als Beilage gemein, denn erstens ist es ein hervorragendes eigenständiges Gericht und braucht zweitens während des Kochens ständig die volle Aufmerksamkeit. Das heißt, dass alle Zutaten wirklich fertig und griffbereit sein müssen, bevor es losgeht. Außerdem muss man Spaß daran haben, etwa dreißig Minuten lang unerschütterlich am Herd zu stehen und zu rühren. Nur dann wird der Risotto wirklich sämig, weil durch das Rühren immer etwas Reismehl vom Reiskorn abgelöst wird.
Das Grundrezept ist immer gleich, lediglich die Zutaten wie Gemüse, Kräuter, Fleisch, oder Fisch variieren. Die Basis jeden Risottos für zwei Personen ist: 130 bis 150 Gramm Risotto-Reis, etwa 40 Gramm Butter, 1-2 Schalotten, 1 dl Weiß- oder Rotwein, 5 dl Bouillon, ein paar Safranfäden und 1 bis 2 Esslöffel geriebener Parmesan. Als erstes die Schalotten langsam in der Butter goldgelb dünsten und den Carnaroli-Reis dazuschütten. Den Reis solange mitdünsten, bis er die Butter, die er zunächst absorbiert hat, wieder abstößt! Erst dann ist er bereit, Flüssigkeit aufzunehmen. Wenn also die Butter rings um den Reis wieder aufschäumt, mit Wein löschen, und sobald der Reis ihn aufgesogen hat, etwas Bouillon dazugießen. Jetzt auch den Safran dazugeben, damit er für die schöne gelbe Farbe sorgt. Gießen Sie Flüssigkeit nur in kleinen Dosen zum Reis, und rühren Sie, bis der Reis alles aufgenommen hat. Wenn er al dente ist, muss alles blitzschnell gehen: den geriebenen Parmesan unterrühren und den Risotto sofort servieren.
Ein Tipp zum Safran: Vielleicht kennen auch Sie das Problem, dass sich die Safran-Fäden einfach nicht auflösen wollen. Seit ich diesen Rat einer persischen Hausfrau beherzige, ist für mich das Problem gelöst:
Die Safranfäden in einer Pfanne ohne Fett kurz erhitzen (nicht braten), damit sie ganz „trocken“ sind, dann im Mörser zerkleinern und den pulverisierten Safran mit einem Esslöffel heißem Wasser übergießen. Sofort lösen sich Farbe und Aromen.
Tipp: Ich koche das „Drumherum“ wie Pilze, Gemüse oder Fisch meist getrennt und mische es am Schluss.
Mein Lieblingsrisotto ist der Risotto mit getrockneten Steinpilzen. Kochen Sie den Carnaroli nach dem Grundrezept und parallel dazu die Steinpilze. Es reicht völlig, sie etwa 10 Minuten in Wasser einzuweichen. Sie können sie aber auch uneingeweicht im Reis oder der Bouillon mitkochen, dann wird ihr Geschmack konzentrierter. Mir gefallen beide Varianten. Für zwei Personen nehme ich etwa ich etwa 30 Gramm, schneide sie in mundgerechte Stücke, dünste sie in Butter und lösche sie mit etwas Bouillon, 3 Esslöffeln Tomatenstücken, einem Schluck Wein und lasse alles solange köcheln, bis der Risotto fertig ist. Beides vermische ich dann erst auf meinem Teller.
Oder versuchen Sie es doch einmal mit einem Kräuterrisotto: Dazu brauchen Sie eine Tasse voll kleingeschnittener Kräuter wie Schnittlauch, Petersilie, Basilikum, Spinat, Majoran, Mangold ... Diese in wenig Butter kurz schwenken bis sie zusammenfallen und sofort mit dem Parmesan unter den fertigen Risotto mischen. Viel Spaß damit!